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Stilrichtungen der Konzeptkunst: Prozesskunst, Objektkunst und Happening

Die 60er Jahre brechen künstlerisch mit allen Tabus. Im Zuge der avantgardistischen Bewegungen wird nicht nur die Trennung von Künstler und Kunstwerk zeitweise aufgehoben, sondern auch die Wertehierarchie im künstlerischen Schaffensprozess hinterfragt. Als Weiterentwicklung der Tendenzen aus der abstrakten Malerei und progressiven Strömungen wie Kubismus und Dadaismus, gesteht die sogenannte "Konzeptkunst" der Planung und Idee zu einem Werk den gleichen Stellenwert zu wie dem fertigen Objekt. Aus diesem "Spiel" mit Konventionen, Begrifflichkeiten und Traditionen entstehen die Stilrichtungen der Prozess- und Objektkunst, sowie das Happening.

Im Jahre 1966 fand mit der Ausstellung „Working Drawings and Other Visible Things on Paper Not Necessarily Meant to Be Viewed as Art“ in New York die erste Ausstellung statt, bei der nicht fertige Kunstobjekte, sondern Kunst-Konzeptionen vorgeführt werden: Skizzen, Anleitungen, Schriftstücke und bisweilen ganze "Künstlerbücher", die in Vorbereitung auf einen künstlerischen Schaffensprozess entstanden sind. Drei Jahre später findet im Leverkusener Museum 'Morsbroich' die erste Konzeptkunst-Ausstellung auf deutschem Boden statt.

Die Prozesskunst – Der Weg ist das Ziel

Am deutlichsten spiegelt sich der Gedanke von der Gleichwertigkeit aller Arbeitsschritte von der Idee bis hin zum fertigen Kunstobjekt in der sogenannten "Prozesskunst": Hier wird nicht nur der Prozess der Gestaltung festgehalten, sondern Zeit und Raum sollen sowohl für den Künstler selbst als auch für das Publikum als autarke Größen erfahrbar werden. Zugleich sollen die Hintergründe der Entstehung die Wahrnehmung des fertigen Objektes beeinflussen, indem der Prozess der Gestaltung in die Präsentation mit einbezogen wird. Um den Prozess "erfahrbar" zu machen, werden bevorzugt Videoaufnahmen bzw. Fotostrecken verwendet, die dem prozesshaften Charakter der Gestaltung nachempfunden sind.

Durch die Dokumentation des Gestaltungsvorgangs in Ausschnitten oder als Gesamtprozess wird außerdem deutlich, welchen Alltagseinflüssen das fertige Objekt während seiner Entstehung ausgesetzt war (z.B. Unterschiedliche Bedingungen an unterschiedlichen Standorten, Erosion, "helfende Hände" etc.) und der Betrachter kann sich ein Bild davon machen, welche Entwicklungen dadurch eventuell angestoßen wurden bzw. inwiefern das Objekt hiervon beeinflusst wurde. Bekannte deutsche Vertreter der Prozesskunst sind u.a. Eva Hesse, die 1972 noch postum auf der fünften 'documenta' in Kassel vertreten war (siehe Bild), Ulrich Rückriem und Jochen Gerz. Bekannte internationale Prozesskünstler sind Bruce Nauman, Richard Serra und Robert Morris, dessen sogenannte "Bleibilder" im 'Museum of Modern Art' in New York ausgestellt sind.

Fotograf: richard winchell, Titel: Eva Hesse, flickr.com

Die Objektkunst – Vom Alltag zur Kunst

Die Ursprünge der Objektkunst liegen in einer Frage, die am Beginn fast jeder avantgardistischen Bewegung steht: Was macht Kunst zur Kunst? Während im Kubismus bereits die traditionellen Formen verschwimmen, die in der Abstrakten Malerei dann gänzlich aufgelöst werden, stellen sowohl der späte Dadaismus, als auch der Surrealismus explizit die Frage nach einer Kunst, die abgelöst vom Künstler existiert. Der französisch-amerikanische Künstler Marcel Duchamp schließlich polarisiert mit seinen sogenannten "Ready-mades“ (franz. Objet trouvé), bei denen es sich um beliebige Alltagsgegenstände (wie beispielsweise ein Pissoir) handelt, die er unverändert als „Kunst“ präsentiert. In der – sich daraus entwickelnden – Objektkunst werden ebenfalls Nutzgegenstände oder auch natürliche Fundstücke unverändert oder verfremdet als Kunstwerke deklariert und einzeln (oder zur „Assemblage“ kombiniert) ausgestellt. Ein berühmtes Beispiel ist hier der Stierschädel“ Picassos von 1942.

Während der 1960er Jahre erreicht die Objektkunst ihre monumentalsten Ausgestaltungen, indem Künstler ganze Räume und Gebäude, zum Teil in Anlehnung an die „Merz-Bauten“ von Kurt Schwitters, gestalten. Bekannte Beispiele für diese „Environments“ sind neben den verhüllten Bauten Christos und den Rauminstallationen von Joseph Beuys auch die Arbeiten des Schweizer Malers und Bildhauers Jean Tinguely (siehe Bild: Chaos), der vor allem für seine funktionalen Maschinenplastiken aus Metall berühmt ist. Ab 1979 ist Tinguely außerdem an den Arbeiten für den „Giardino dei Tarocchi“ (den sogenannten „Tarotgarten“) seiner Lebensgefährtin Niki de Saint Phalle beteiligt, in dem eine Vielzahl begehbarer „Environments“ im Stile der überlebensgroßen bunten „Nanas“ entstehen.

Das Happening – Aktionskunst als Provokation

Das Happening (vom engl. to happen = 'geschehen') ist neben der Fluxus-Bewegung die wichtigste Ausdrucksform der sogenannten "Aktionskunst", welche in den 1960er Jahren gegen einen als zu eng empfundenen Kunstbegriff revoltiert und sich explizit als Manifestation politischer Meinungsbildung versteht. Indem traditionelle Grenzen bewusst überschritten werden, soll die künstlerische Gestaltung als Teil der Lebenswirklichkeit anerkannt werden und in die soziale Wirklichkeit eingreifen. Die konzeptionelle Grenzüberschreitung schlägt sich u.a. in der Suche nach neuen medialen und performativen Ausdrucksformen und in der expliziten Aufhebung der Grenze zwischen Künstler und dem Publikum dar. Die geläufigste Form des Happenings ist daher ein improvisiertes Ereignis, in welches das Publikum direkt mit einbezogen wird. Da sich die Kunstform als fließender, nicht fixierbarer Übergang zwischen Kunst und Leben versteht, sind auch Anfangs- und Endpunkt des Ereignisses in keiner Weise markiert.

Die Interaktion mit dem Publikum ist auf eine Schockwirkung ausgerichtet, weshalb die Darstellenden u.a. Gegenstände in den Zuschauerraum werfen, mit Blut- oder Farbbeuteln werfen oder das Bühnenbild zerstören. Der Geschehensablauf richtet sich nach dem Zufallsprinzip und folgt den Reaktionen des Publikums. Eine besondere Form des Happenings ist die sogenannte "Körperkunst" (Body-Art), zu der auch der geplante Exhibitionismus gehört, der in "Performances" in Szene gesetzt wird. Hier kann der Künstler sich entweder selbst zum Bild machen oder auch andere Körper im Bühnenraum "arrangieren".