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Klassizismus: Entstehung, Merkmale und Vertreter der Kunstepoche

Klassizismus

Vom Terminus „Klassik“ abgeleitet, bezeichnet der Klassizismus eine kunstgeschichtliche Epoche, in der auf schlichte Formen zurückgegriffen wird, wie sie aus der römischen und griechischen Antike bekannt sind. Speziell in der Architektur orientierte man sich am Stil antiker Bauten, weshalb Portikus und Säulen wie am Brandenburger Tor oder der Nationalgalerie in Berlin typisch für klassizistische Bauwerke sind. Die Kunstepoche löste den Barock ab und bezeichnet die Zeitspanne zwischen 1770 und 1840. Wie sich der Klassizismus entwickelte, welche Merkmale dieser Kunstrichtung eigen sind und die wichtigsten Vertreter der Malerei sind im Blog der Galerie Zimmermann & Heitmann zusammengefasst. 

Entstehung des Klassizismus

Dem Klassizismus ging die Kunstepoche des Barock voraus, die sich vor allem in einer kunstvollen und reichen Architektur ausprägte. Prunkvolle Ornamente und schwungvolle Formen lösten die strenge Ordnung der vorhergehenden Renaissance ab. Als Reaktion auf diese reiche und ornamentale Kunst entwickelte sich der Klassizismus aus der Sehnsucht nach natürlichen Formen heraus. Strenge und klare Linien galten als Gegenprogramm zum Barock. Typisch für die klassizistische Zeit war eine ideologische Begeisterung, weshalb sich Parallelen zur Philosophie der Aufklärung erkennen lassen. Statt eines allumfassenden Humanismus galt es nun, spezielles Wissen zu erringen. Vor allem die Kunst sollte durch Logik und klare Gedanken geleitet werden.

Vom Frühklassizismus zum Historismus

Die ersten klassizistischen Ausprägungen finden sich im späten 18. Jahrhundert. Als geistiger Begründer gilt der deutsche Archäologe, Bibliothekar und Antiquar Johann Joachim Winckelmann, dessen Bild der römischen und griechischen Antike den Geist des deutschen Klassizismus wesentlich beeinflusste. Die Nachahmung des Alten war für ihn der einzige Weg, um an eigener Größe zu gewinnen. Während der Restaurationszeit nach der französischen Revolution entwickelte sich der Biedermeier als weitere Form des Klassizismus. Neue Bauformen kamen den Wünschen der aufstrebenden Bevölkerung nach Repräsentation nach. Dies gipfelte im Historismus, der den Übergang zum Klassizismus markiert.  

Merkmale des Klassizismus

Wissenschaftliche Studien zu antiker Kunst bildeten die Basis für die Ausprägung des klassizistischen Stiles. Klare Linien, einfache Formen und eine strukturierte Gliederung sind das Grundgerüst des Klassizismus, das sich besonders in der Architektur widerspiegelt. Dreiecke, Quadrate, Kreise, Kugeln, Pyramiden und vor allem Säulen gelten als Grundbausteine klassizistischer Architektur, Bildhauerei sowie Malerei. Letztlich werden in der Kunstrichtung des Klassizismus antike Vorbilder nachgeahmt. Dank prunkvoller Gestaltung eignet sich der Baustil dieser Kunstrichtung hervorragend für Repräsentanzbauten wie Kirchen, Museen oder Triumphbögen, denn das Repräsentative war im Klassizismus wichtiger als der Nutzen eines Bauwerks.

Nachahmung antiker Vorbilder

Klare Linien und einfache Formen

Quadrate, Kreise, Säulen und Dreiecke als Basis

Klassizismus in der Malerei

Typisch für die künstlerischen Werke des Klassizismus sind Szenen der griechischen und römischen Antike. Eine übersichtliche Bildkomposition aus klassischen Grundformen wie Dreieck und Rechteck prägen die Werke dieser Kunstepoche. Eine bühnenhafte Anordnung der Figuren und großflächig eingesetzte, kühle Farben, die durch naturnahe Details abgeschwächt werden, sind bezeichnend für die klassizistische Malerei. Das Œuvre des Klassizismus umfasst eine Vielzahl an Historienbildern. Gleichzeitig finden sich aber auch etliche Porträtmalereien dieser Zeit.

Nicht selten wurden klassizistische Architekturelemente in das Bildthema aufgenommen. Die ersten Gemälde des Klassizismus entstanden in Frankreich und stellten einen großen Kontrast zu Werken des Rokokos dar. Kühle Klarheit und Vernunft sind typisch für die Gemälde der französischen Klassizisten. Im deutschsprachigen Raum waren Werke weniger streng aufgebaut, denn lyrische und romantische Bildelemente hielten Einzug in die Malerei. Kein Wunder: Die kunstgeschichtliche Epoche der Romantik begleitete den Klassizismus in der Malerei und Literatur.

Bedeutende klassizistische Künstler

Karl Friedrich Schinkel zählt zu den wohl bedeutendsten Architekten des Klassizismus. Seine Verantwortung für die Königswache in Berlin, das Schauspielhaus und das Alte Museum machten ihn zum regelrechten Stararchitekten in Preußen. Weiter südlich entfaltete sich Leo von Klenze als Hofarchitekt des Königs von Bayern im Rahmen der klassizistischen Umgestaltung Münchens. Die Glyptothek und die Ruhmeshalle erhielten eine Neuinterpretation auf der Basis griechischer Architektur. In der Malerei treten als bedeutendste Künstler zunächst die Franzosen hervor. Jospeh-Marie Vien gilt als Vorreiter der klassizistischen Malerei und unterrichtete unter anderem Jacques-Louis David, der eine Vielzahl an Bildern mit antiken Motiven schuf. Als Hofmaler des französischen Königshauses tritt vor allem seine berühmte Interpretation „Napoleon beim Übergang über den Großen St. Bernhard“ in den Vordergrund. David hatte zahlreiche Schüler, von denen speziell Anne-Louis Girodet-Trioson, François Gérard und Jean-Auguste-Dominique Ingres als große klassizistische Künstler erwähnt werden müssen.

Karl Friedrich Schinkel (Architekt)

Leo von Klenze (Architekt)

Joseph-Louis David (Maler)

Jean-Auguste-Dominique Ingres (Maler)

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (Maler)

Ein bekannter deutscher Vertreter des Klassizismus ist Johann Heinrich Wilhelm Tischbein aus der berühmten hessischen Malerfamilie. Wie viele Malerkollegen hielt er sich eine Zeit lang zu Studienzwecken in Italien auf. Beeinflusst von den antiken Kunstwerken, entwickelte sich sein Stil weg vom Rokoko hin zum Klassizismus. Erwähnenswert ist außerdem der schlesische Maler Jakob Asmus Carstens, der sich von der Mythologie der Griechen und den antiken Klassikern für seine Werke inspirieren ließ. Als weibliche Vertreterin des Klassizismus ist Angelika Kauffmann aufzuführen. Schon mit sechs Jahren galt sie als zeichnerisches Wunderkind und erfuhr eine Förderung, was für Mädchen in dieser Zeit eher unüblich war. Bekannt wurde Kauffmann schlagartig durch ihr Porträt des klassischen Archäologen Johann Joachim Winckelmann. Als gute Freundin Goethes fertigte sie Illustrationen für sein Schauspiel Iphigenie auf Tauris an und schuf unter dem Einfluss Anton Raphael Mengs auch zahlreiche Werke im klassizistischen Stil.

Herausragende klassizistische Werke

Eines der bekanntesten klassizistischen Gemälde trägt den Titel „Jupiter und Thetis“. Jean-Auguste-Dominique Ingres thematisiert in dem 1811 entstandenen Bildnis einen Ausschnitt aus Homers Illias. Dargestellt wird die Meeresnymphe Thetis, die den Himmelsvater Jupiter um das Schicksal ihres Sohnes Achilles bittet – ein typisch klassizistisches Motiv. Das Gemälde ist im Musée Grant in Aix-en-Provence zu besichtigen. Als herausragend gilt auch das Kunstwerk „Der Tod des Sokrates“, das im Metropolitan Museum of Art in New York bestaunt werden kann. Typisch klassizistisch wird hier eine Szene der griechischen Antike dargestellt. 1787 von Jacques-Louis David gemalt, gilt das Werk als bedeutender Vertreter des Klassizismus. Weitere wichtige Werke sind:

„Goethe in der Campagna“ von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein

Tischbeins berühmtestes Werk entstand im Rahmen seines zweiten Italien-Aufenthaltes. In dieser Zeit freundete er sich mit Johann Wolfgang von Goethe an und reiste mit ihm nach Neapel. Das Bildnis des bedeutenden Dichters gelangte mithilfe der Bankiers-Familie Rothschild nach Frankfurt am Main. Dort ist es heute im Städelschen Kunstinstitut zu besichtigen.

„Der Tod des Marat“ von Jacques-Louis David

Dieses Gemälde besticht vor allem durch seine politische Brisanz. Als Jakobiner und Mitglied im Sicherheitsausschuss war David mitverantwortlich für den Sturz Robespierres und wurde eingekerkert. Nach der Rettung aus dem Kerker durch seine Schüler vollendete er das Gemälde „Der Tod des Marat“, mit dem er den kurz zuvor ermordeten Jean Paul Marat zum Märtyrer der Revolution erhob. Das Bildnis ist heute in Brüssel in den Königlichen Museen der Schönen Künste zu bestaunen. 

„Napoleon I. auf seinem kaiserlichen Thron“ von Jean-Auguste-Dominique Ingres

Als beliebter Porträtmaler seiner Zeit erhielt Ingres zahlreiche Porträtaufträge einflussreicher Persönlichkeiten. Auffallend genau sind auf den Gemälden speziell Kleidung und Accessoires dargestellt. Das gilt auch für das bekannte Herrscherporträt „Napoleon I. auf seinem kaiserlichen Thron“ aus dem Jahr 1806, das heute im Musée de l`Armée in Paris zu sehen ist.

Im Klassizismus treten jedoch nicht nur Gemälde hervor. Es gibt zudem besondere Bauwerke und Skulpturen, die der Kunstepoche zugeschrieben werden können. Die im Louvre zu besichtigende Marmorstatue „Amor und Psyche“, geschaffen von Antonio Canova, ist ein typisches Zeugnis und Meisterwerk der bildhauerischen Kunst des Klassizismus. Dargestellt ist ein emotionaler Moment, in dem Amor die leblose Psyche durch einen Kuss erweckt. Als Wahrzeichen Berlins entspringt auch das nach Plänen von Carl Gotthard Langhans erbaute Brandenburger Tor der frühklassizistischen Periode.

Abgrenzung und Unterschied zum Historismus

Zum Ende der klassizistischen Epoche hin entwickelte sich in der Architektur und in den Künsten der sogenannte Historismus. Auch wenn die Abgrenzung zum Klassizismus nicht ganz einfach ist, so gibt es dennoch einige Elemente, die typisch für den Historismus sind. Allen voran steht die größere Dekorfreudigkeit historischer Bauten. Das reiche Bürgertum ging weg vom spartanischen Stil und setzte mehr auf die Ausstattung der Gründerzeit. Im Unterschied zum Klassizismus bedient sich der Historismus auch diverser Komponenten anderer Strömungen und anderer Stilrichtungen wie der Neuromantik, der Neugotik, der Neorenaissance, des Neobarock und des Neorokoko.

Wo ist der Unterschied zum Neoklassizismus?

Die „Neoklassik“ hat zwei Bedeutungen: Einerseits wird der uns bekannte Klassizismus außerhalb Mittel- und Osteuropas als Neoklassizismus bezeichnet, andererseits beschreibt der Begriff in unseren Breiten eine eigene klassizistische Strömung im späten 19. und im 20. Jahrhundert. In puncto Architektur gilt der Neoklassizismus als eine Art Sammelbegriff, der zahlreiche Strömungen vereint, die auf antike und klassizistische Vorbilder zurückgriffen. Die neoklassizistische Zeit gilt als Beginn der Moderne. Ziel war es, der sich entwickelnden klassischen Moderne entgegenzutreten und Traditionen, alte Werte sowie Strukturen beizubehalten. Daher berief man sich erneut auf Motive und Ideen griechischen und römischen Ursprungs und schuf Architektur mit klassizistischen Elementen. Der wiederauftretende Säulenbau ist beispielsweise am Hygienemuseum in Dresden deutlich zu erkennen, das 1930 von Wilhelm Kreis im Stil des Neoklassizismus und Bauhaus entworfen wurde. Als vom Neoklassizismus in der Malerei und Bildhauerei beeinflusst, gelten unter anderem Carlo Carrà, Pablo Picasso und Giorgio de Chirico.

Klassizismus in der Literatur?

Im Unterschied zum kunsthistorischen Begriff Klassizismus beschreibt der literaturwissenschaftliche Term eine als klassisch geltende Literatursprache. Gemeint ist damit die Vorliebe für den Wortschatz und den Stil bekannter Autoren, deren Werke als maßgeblich gelten. Wird der literarische Klassizismus extremisiert, werden Stilmittel, Wendungen und Wörter dieser Autoren konsequent gemieden. Neoklassizismus hingegen beschreibt eine eigene literarische Strömung nach 1900. Ein Vertreter dieser Richtung war Gerhard Hauptmann.