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Kunststile im Vergleich: Besonderheiten der afrikanischen und asiatischen Kunst

Sie stellen gemeinsam rund 75 % der Weltbevölkerung und erstrecken sich auf knapp 15 % der gesamten Kontinentalfläche: Die Kulturen Asiens und Afrikas gehören zu den ältesten der Menschheit und zeichnen sich, trotz aller Unterschiede, vor allem dadurch aus, dass ihre jeweiligen Kulturgüter sich über einen extrem langen Zeitraum entwickelt haben und im Laufe der Jahrhunderte durch unzählige Ethnien geprägt wurden. Die ersten Funde im Bereich der Bildenden Kunst datieren für Asien auf ca. 10.000 v. Chr. und für Afrika auf ca. 8.000 v. Chr.

Afrikanische Kunst im engeren Sinne bezeichnet die künstlerischen Schöpfungen des sogenannten „Schwarzafrikas“, welches Ostafrika und Westafrika von der sudanesischen Savanne über die westliche und östliche Guineaküste bis zum Zairebecken umfasst. Im Norden des Kontinents, der mehrheitlich arabisch geprägt ist, hat sich eine andere Kultur entwickelt. Die Kunst Schwarzafrikas zeigt starke islamische Einflüsse und ist darüber hinaus auch von der Kultur des Alten Ägypten beeinflusst. Die asiatische Kunst ist bei Weitem heterogener als die afrikanische Kunst, da Asien zwar nur ein gutes Drittel mehr Gesamtfläche hat als Afrika, dafür jedoch rund 300 Millionen mehr Einwohner. Während die afrikanische Kunst trotz der Heterogenität der an ihr beteiligten Ethnien also durchaus verbindende kulturelle Merkmale aufweist, treffen in Asien je nach Region sehr unterschiedliche künstlerische Spielarten aufeinander.

Die Kunst Afrikas: Zwischen Masken und Skulpturen

Während die asiatische und insbesondere die chinesische Kunst sich schon sehr früh durch besonders filigrane Handwerksarbeit auszeichneten, spiegeln sich in der afrikanischen Kunst die überwiegend bäuerlichen Strukturen des Kontinents. So entstehen hier vor allem Skulpturen und Plastiken mit bemerkenswert klaren und natürlichen Formen. Obgleich die ersten Skulpturen laut Forschung bereits um 500 v. Chr. in Nigeria entstanden sind, sind heute so gut wie keine historischen Artefakte mehr vorhanden, da das bevorzugte Material jener frühen „Bildhauer“ Holz gewesen ist. Häufigstes Motiv jener Frühzeit ist die Natur beziehungsweise ihre reichen Gaben.

Mit zunehmender Verbreitung des Islam ab dem 13. Jahrhundert verändern sich auch die künstlerischen Ausdrucksformen, sodass in besonders wohlhabenden Regionen die ersten Bronze- und Messinggüsse mit Verzierungen aus Edelsteinen oder Elfenbein entstehen. Neben Skulpturen und Plastiken lebt die afrikanische Kunst von sogenannten „Holzschnittmasken“, die in der Regel zu rituellen Anlässen gefertigt werden und beispielsweise einen Schutz gegen Krankheiten und schlechte Energien darstellen.

Zu den heute erhaltenen afrikanischen Kunstobjekten zählen neben:

Masken,

Skulpturen und

Plastiken auch

Throne, Hocker, Grabstatuetten und Ahnenfiguren.

Afrikanische Kunst: Von Götterkult und Kultstatus

Die Kunst Afrikas ist fest verbunden mit der spirituellen Welt dieses Kontinents. In der Regel sind die Masken, Figuren und Skulpturen nicht nur Kunst- sondern auch Gebrauchsgegenstände und werden im Kontext von Festen und Ritualen (beispielsweise dem Beschneidungsritual, dem Erntedankfeste usw.) eingesetzt. Viele Statuen entstehen auch als Abbilder von Göttern, sind also Bestandteil der polytheistischen Religionen Afrikas. Eine berühmte afrikanische Masken-Art ist die „Nimba-Maske“, die – je nach Ausführung – bis zu 70 kg wiegen kann, über den Kopf gestülpt getragen wird und abstrahiert die Gestalt einer alten Frau mit hängenden Brüsten zeigt. Die Nimba-Maske gilt als Fruchtbarkeitssymbol und wird während der Erntezeit bei rituellen Anlässen verwendet.

Aufgrund ihrer natürlichen, klaren Formen erlebt die afrikanische Kunst Anfang des 20. Jahrhunderts einen regelrechten Boom in Europa, da die Wegbereiter der künstlerischen Moderne in ihr einen Weg zur authentischen, antiakademischen und unverbildeten Kunst sehen. So wird die Kunst Afrikas vor allem für die Expressionisten zur Inspirationsquelle und in diesem Kontext mit (aus heutiger Sicht deutlich diskriminierenden) Begriffen wie „Primitivismus“ oder „Negerplastik“ belegt. Da sich erst in dieser Zeit auch ein entsprechendes Forschungsinteresse entwickelt und man damit beginnt, afrikanische Kunstgegenstände zu sammeln, sind die meisten der heute vorhandenen Ausstellungsstücke kaum älter als etwa 150 Jahre.

Durch internationale Förderung und den starken kulturellen Kontakt während des letzten Jahrhunderts hat sich die afrikanische Kunst mittlerweile weitgehend von ihren „rituellen“ Wurzeln gelöst und zu neuen Ausdrucksformen gefunden. Auch die globalen künstlerischen Entwicklungen nehmen mittlerweile starken Einfluss auf die Kunst dieses zweitgrößten Kontinents. Bekannte zeitgenössische Künstler sind etwa der ghanaische Sargkünstler Eric Adjetey Anang und Mbongeni Buthelezi aus Südafrika, der für seine Materialbilder (siehe Bild) bekannt ist.

mitue, flickr.com (2009)

Die Kunst Asiens: Zwischen Porzellan und Kalligraphien

Als asiatische Kunst im engeren Sinne gelten die künstlerischen Schöpfungen Chinas und Japans. Eine Sonderstellung nimmt hier die Buddhistische Kunst ein. Die kulturellen Entwicklungen in anderen asiatischen Ländern und Staaten wie etwa Russland, Indien, Indonesien und der Mongolei, die rein geographisch mit die größte Fläche einnehmen, weist hier zwar durchaus Gemeinsamkeiten auf, hat sich in vielen Bereichen jedoch anders entwickelt und gilt daher als weitgehend unabhängig von der Kunst der Nachbarländern. Als beispielhaft für die asiatische Kultur gelten häufig die kulturellen Errungenschaften Chinas, da das bevölkerungsreichste Land auch die Entwicklung von Kunst und Kultur in anderen ost- und südostasiatischen Staaten wie Korea, Japan und dem Vietnam erheblich beeinflusst hat.

Die chinesische Kunst ist durch eine erstaunliche Kontinuität geprägt und zeichnet sich (im Gegensatz zur afrikanischen Kunst) schon früh durch ein hohes Maß an Handwerksfertigkeit und eine distinguierte filigrane Ästhetik aus, wie sie beispielsweise schon die „Liangzhu-Jade-Kultur“ rund 6000 v. Chr. aufweist. Berühmtheit hat die chinesische Kunst jedoch vor allem durch die extrem detailreiche Malerei und Kalligraphie erlangt, die hier zu den meist geschätzten Künsten gehören. Bekannt ist hier u.a. der sogenannte „Orchideenpavillon“ des Künstlers Wáng Xīzhī aus dem 4. nachchristlichen Jahrhundert.

Weitere Eckpfeiler der chinesischen Kunst sind

der Holzschnitt,

die Lackkunst an Keramik,

die Tapetenkunst auf Bambusfaser und

die Porzellan-Herstellung und -verarbeitung, welche ihren Höhepunkt in der Ming-Dynastie erreicht.

Bei den ältesten Funden japanischer Kunst handelt es sich um Keramik aus dem 10. vorchristlichen Jahrtausend. Genau wie in China entwickelt sich in dem ostasiatischen Staat eine große Varietät und die künstlerischen Ausdrucksformen reichen über Malerei, Kalligraphie, Töpferkunst und Lackarbeiten bis hin zu farbigen Holzschnitten. Eine besondere Rolle kommt in der japanischen Kunst der Schwertschmiedekunst zu. Anders als die afrikanische Kunst, die mehrheitlich vom Ritus geprägt ist, entsteht die Kunst des asiatischen Raumes schon früh aus einem künstlerischen Ehrgeiz heraus, der mit ein Grund dafür ist, dass sowohl China als auch Japan in so vielen Bereichen der Bildenden Kunst bisher unerreichte Meisterschaft erlangt haben.

Asiatische Kunst: Von Spiritualität und Prestige

neonow, buddha, flickr.com (2014)

Auch wenn die asiatische Kunst deutlich distinguierter ist als die afrikanische und von den jeweiligen Machthabern in der Regel auch gezielt gefördert wird, gibt es hier ein verbindendes Element: Auch die asiatische Kunst ist wesentlich spirituell beeinflusst. Der Buddhismus ist zwar – anders als der polytheistische Kultus in Afrika – nicht wesentliche Triebfeder der asiatischen Kunst, hat deren Entwicklung jedoch entscheidend geprägt. Die „buddhistische“ Kunst entwickelt sich vor rund 2500 Jahren im indischen Subkontinent und stellt ein komplexes ikonographisches und symbolisches System dar. Als buddhistisch zählen jene Schöpfungen im architektonischen und bildnerischen Bereich, die einen Bezug zu Buddha bzw. den entsprechenden Lehren haben.

Die heute weltweit bekannten Buddha-Darstellungen entstehen interessanterweise erst während der Blütezeit der Buddhistischen Kunst unter König Ashoka (268-232 v. Chr.), da die menschliche Darstellung Buddhas während der frühen Phase dieser Kunst nicht gestattet war. Der indische Dynast ist auch derjenige, der für die Verbreitung des Buddhismus in Zentral- und Südostasien verantwortlich ist. Die ersten Skulpturen Buddhas, wie wir sie heute kennen, entstehen etwa ab dem ersten nachchristlichen Jahrhundert in Indien. Zwischen dem ersten und dem achten nachchristlichen Jahrhundert entwickelt sich vor allem in China eine virulente buddhistische Kunst, die ab dem fünften Jahrhundert ihre Blüte mit der „buddhistischen Großplastik“ erreicht. Beispielhaft für diese Zeit sind u.a. die Buddahfiguren in den Longmen-Grotten in der chinesischen Provinz Henan.