Interview mit Jörg Döring

INTERVIEW MIT JÖRG DÖRING ZUM THEMA KUNST
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Biographie von Jörg Döring

Das Interview zum Thema Donald und Mickey:
Dieses Interview hat so nie stattgefunden. Vielmehr ist es eine Zusammenstellung der Fragen, die mir zu jeder Ausstellung oder Vernissage immer wieder gestellt werden. Diese Fragen sind jetzt endgültig und für alle beantwortet. Ab sofort erwarte ich neue Fragen!
 

- Wie fing alles an?
Die ersten Bilder entstanden 1988. Zunächst waren Donald und Mickey nur als Detail in Bildern, die amerikanische Ikonen und Symbole zum Thema hatten, zu finden. Als nächstes habe ich dann schwarze Mickeyköpfe auf Phosphorfarbe, die sich mit Licht auflädt und im Dunkeln leuchtet, gemalt (war damals noch in Dosen zu kaufen, obwohl extrem gesundheitsgefährdend). Ich fand diese Idee sensationell, bis ein Galerist meinte, seine Kundschaft setze sich nicht im Dunkeln vor die Bilder, um zu sehen, wie sie leuchten... Donald und Mickey blieben aber eines meiner Themen, wenn auch zunächst nur eines neben anderen.

- Warum gerade Donald?
Meine Beziehung zur Figur Donald Duck hat sich nur sehr langsam entwickelt. Die ersten Bilder haben Donald zunächst auch nur als das wiedergeben, wofür er bekannt ist, als Comicfigur. Auch optisch war mein früher Donald sehr Comic-haft dargestellt, und die Art und Weise, wie ich die Figur ins Bild eingebunden habe, war auch typischer Comicstil. Zu dieser Zeit war nicht absehbar, welchen Verlauf meine Arbeit mit Donald noch nehmen sollte. Mit der Zeit fand ich dann immer mehr Gefallen an der Figur selbst. Die Konstruktion, die Vielseitigkeit und vor allem die Zeitlosigkeit Donalds begeisterte mich zunehmend. Mit dieser Begeisterung für die Figur entwickelte sich die Darstellung und Wiedergabe immer weiter weg vom flachen Comic hin zu einer plastischen Darstellung. Donald wurde zusehends realer! Gleichermaßen wie auch die Geschichten immer weniger denen des Comic-Donalds glichen und vielmehr Geschichten aus dem realen Leben Einzug in die Bilder fanden. Donald entwickelte sich immer mehr zu einem Symbol und Repräsentanten für alle und jeden. Die restlose Begeisterung resultiert letztlich aus der Tatsache, dass nach so vielen Jahren Arbeit mit Donald immer noch kein Ende der künstlerischen Möglichkeiten sichtbar wird. Donald bietet eine schier unermessliche Darstellungs- und Gestaltungsvielfalt. Offenbar scheint alles mit dieser Figur möglich. Bisher kann ich noch kein kreatives Ende absehen.

- Ist Donald ein Verlierer?
Für mich nicht. Wenn man die Besonderheit und Einzigartigkeit der Figur entdeckt, sowohl im künstlerischen Sinn als auch im Symbolgehalt, sieht man Donald nicht mehr als Verlierer. Die Tatsache, dass Donald sich als Verlierer darstellt, ist reine Täuschung, um Sympathien (fishing for compliments) zu gewinnen. Und es funktioniert nun schon über Jahrzehnte. Wer oder was hat Ähnliches geschafft?

- Ist Donald Kunst?
Was nun Kunst ist und was nicht, darüber wird man sich wohl immer streiten können. Vor dem Hintergrund der Tatsache aber, dass diese Figur alleine überall in der Welt und zu jeder Zeit die unterschiedlichsten Gesellschaften so treffend reflektieren und wiedergeben kann, macht ihn für mich zu einem der größten Universalkunstwerke überhaupt.

- Haben Sie bzw. lesen Sie die Comics?
Wie jedes Kind habe ich die Comics gelesen. Das war es dann auch. Auch wenn ich heute noch alle Disney-Comics kaufe, lese ich keine. Zuletzt kamen noch ein paar schwedische Kalle-Anka-Hefte (Schwedisch für D. Duck ) dazu, die sollte ich vielleicht mal lesen...

- Macht die Arbeit noch Spaß nach so vielen Jahren?
Die Vielseitigkeit und Flexibilität der Figur bieten jeden Tag die Chance, sich selbst zu übertreffen. Das motiviert! Selbst extreme Versuche, an die Grenzen der Figur zu stoßen, haben gezeigt, dass Donald alles locker mitspielt. Mit Schrecken werden sich jetzt ein paar Galeristen an die perspektivisch verzerrten Donalds erinnern, aufgrund derer sie um ihre Verkäufe fürchteten. Egal! Ich fand's sehr interessant, sehr neu, und wenn man wusste, wie man diese Bilder sehen musste, auch sehr schön. Künstlerisch wertvoll war es allemal! Aber eben diese Freiheiten im Umgang mit der Figur machen das Thema dauerhaft spannend.

- Woher kommen die Ideen (1)?
Woher sie kommen, weiß ich nicht, sie sind einfach da. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man überhaupt keine Ideen hat, um auch nur ein einziges Bild zu malen, das Publikum bestätigt mir jedoch, dass dies eher der Regelfall ist. Es ist für mich einfach ganz normal, viele Ideen zu haben. Natürlich liegt zwischen Geistesblitz und Endergebnis viel, viel Mühe. Viel schwieriger ist die Entscheidung, welche der Ideen denn nun die beste ist und auch umgesetzt wird.

- Woher kommen die Ideen (2)?
Die Ideen sind einfach da. Man muss sich nur umsehen bzw. -hören. Viele der Geschichten sind auch meine eigenen. Die Figur Donald hat bei mir nichts mehr mit der ursprünglichen Comicfigur zu tun und muss demzufolge auch nicht mehr wie im Comic funktionieren. Donald steht bei mir als Repräsentant und Symbol für alle. Insofern kann er auch alle Geschichten wiedergeben. Die Storys in den Bildern verändern sich mit der Zeit aber auch immer wieder. Während z. B. in den ersten Jahren klar dargestellte Situationen und Geschichten erkennbar waren und sofort verstanden bzw. interpretiert wurden, bin ich mit der Zeit dazu übergegangen, die Geschichten und Darstellungen offen zu lassen. D. h. es gibt mehr Raum für Spekulationen und Diskussion. Gleichzeitig hat der Betrachter mehr Möglichkeiten, diese offene Geschichte auf sich bzw. eine vergleichbare ihm bekannte Situation zu beziehen. Die Bilder behalten auch mehr Geheimes, weil die Frage, um was es denn nun wirklich geht, zunächst unbeantwortet bleibt.

- Haben Sie von Donald schon mal geträumt?
Nein. Noch nie.

- Malen Sie auch andere Comicfiguren?
Eigentlich nicht. Wenn es aber die Story erfordert, kommen schon mal die Frauen dazu, sprich Daisy und Minni. Als Hauptfiguren begrenze ich mich aber auf Donald und Mickey, weil diese beiden die größte Symbolkraft haben. Mit anderen Charakteren kann ich nicht so viel anfangen. Oder sollte ich etwa Schneewittchen und die sieben Zwerge malen...?

-Malen Sie auch Aufträge bzw. Bilder nach Wunsch?
Nein, grundsätzlich nicht! Dieses letzte Stück Freiheit, entscheiden zu können, was ich letztlich malen möchte, ist mir fast heilig. Schon der Gedanke daran, etwas für jemanden nach dessen Vorstellungen anzufertigen, demotiviert mich total. Das Ergebnis sähe entsprechend aus... Hinzu kommt, dass die Ideen, die mir vorgeschlagen werden, meist auch nicht besonders originell sind.

- Wie lange arbeiten Sie an einem Bild?
Dazu mache ich keine konkreten Aussagen, weil der Zeitaufwand nichts über die Qualität aussagt. Man kann in einer halben Stunde etwas Geniales schaffen oder Wochen arbeiten, ohne dass etwas Brauchbares übrig bleibt. Des Weiteren arbeite ich nie an nur einem Bild, sondern an Gruppen von 5 - 10 Bildern gleichzeitig. Alle Arbeiten stehen verteilt im Atelier und entwickeln sich gemeinsam. Der Vorteil dieser Arbeitsweise ist, dass die Bilder sich gegenseitig in der Qualität auf ein möglichst hohes Niveau bringen. D. h. ein gutes Bild verlangt von mir, die anderen noch so lange zu verbessern, bis keine großen Qualitätsunterschiede mehr bestehen. Großformatige Bilder, z. B. im Format 200 x 300 cm, können auch nur schrittweise gearbeitet werden. Die Technik bzw. Trocknungszeit der Ölfarbe verlangt es, an mehreren Bildern gleichzeitig zu arbeiten. Erst der Luxus eines großzügigen Ateliers macht so eine Arbeitsweise möglich.

- Wie fangen Sie ein neues Bild an?
Gibt es Vorzeichnungen oder Entwürfe? Vorzeichnungen mache ich sofort auf der Leinwand. Es gibt also keine kLeinen Arbeiten auf Papier oder Entwürfe als Vorstufe zum Bild. Direkt auf der Leinwand zu skizzieren und entwerfen hat den Vorteil, dass man gleich in den richtigen Dimensionen und Proportionen arbeitet. Eine kleine Skizze, die nur vergrößert wird, hat immer viele Fehler. Deshalb kann ich auch keine Zeichnungen aus Comics verwenden, weil diese Figuren - hochgezogen auf meine typischen Formate - absolut aus der Form bzw. Proportion wären. Auf der anderen Seite bin ich durch die Tatsache, dass ich immer im Großformat zeichne, nicht der Beste, wenn es darum geht, kleine Zeichnungen auf Papier zu machen. Was mich aber auch nicht besonders interessiert, weil ich Maler sein möchte und kein Zeichner... - Malen Sie auch kleine Bilder? Warum sollte ich? Auf einer kLeinen Leinwand habe ich nun wirklich keinen Platz, um eine Story zu erzählen. Die Figuren müssten so weit schrumpfen, dass sie nur an Ausstrahlung und Kraft verlieren. Außerdem brauche ich Raum für Fläche und Farbe, um eine bestimmte Stimmung zu inzenieren. Wenn überhaupt, geht es bei den kLeinen Formaten, also alles unter einem Meter, meist nur um die Hoffnung, dass die Bilder entsprechend günstiger werden. Das funktioniert natürlich so nicht. Große Formate bekommen außerdem immer den wichtigsten Platz in jedem Gebäude. Und da möchte ich auch hängen und nicht in der Ecke, wo noch gerade was Kleines hinpasste.

- In welcher Technik arbeiten Sie?
Klassisch, in Öl auf Leinwand. Bis Ende 98 habe ich mit pastosen Acrylfarben gearbeitet. Nach so vielen Jahren war dieses Material aber für mich absolut ausgereizt. Der Wechsel zum Öl war nur konsequent und hat trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten neue Türen geöffnet. Die wesentlich längere Trocknungszeit der Ölfarbe sehe ich mittlerweile als großen Vorteil, und an den Geruch gewöhnt man sich. Die Vorteile der Ölfarbe sind die wunderbare Farbtiefe und Sättigung. Die Leuchtkraft ist einzigartig und bleibt auch nach dem Trocknen, anders als beim Acryl, erhalten. Den unterschiedlichen Glanz der einzelnen Farbtöne lasse ich gewollt bestehen. Kein Bild wird gefirnisst. Auch die Schrift des Pinsels ist deutlicher lesbar. Mit der Strichrichtung und der Dicke des Farbauftrages arbeite ich als Stilelement. Es ist also kein Zufall, ob der Strich von oben nach unten oder von schräg nach quer verläuft. Jedes kleinste Detail, jede "Verschmutzung" und Struktur dient einem Zweck. Farbe aus der Tube auf Leinwand zu verteilen ist vielleicht ein schönes Hobby. Ich suche nach einem virtuosen Umgang mit Farbe...

- Wer bzw. warum kauft man diese Bilder?
Warum ist doch nicht wichtig, sondern nur, dass jemand überhaupt kauft, oder? Im Ernst: Es gibt keinen typischen Käufer. Leute unterschiedlichsten Alters kaufen diese Arbeiten. Es gibt zum Glück keine Zielgruppe! Warum jemand ein Bild kauft, frage ich mich wirklich sehr oft. Schließlich braucht man so etwas nicht zum Leben (oder vielleicht doch?). Es tut nichts Besonderes (oder vielleicht doch?). Und es kann nichts außer rumhängen (oder vielleicht doch?). Die Frage muss wohl jeder für sich selbst beantworten. Es kam schon vor, dass Mickey und Donald verwechselt wurden bzw. total unbekannt waren, und trotzdem wurde das Bild gekauft. Irgendwas müssen diese Arbeiten wohl an sich haben...

- Kann man davon leben?
Es geht so gerade...

TEIL II

"Text ist Gestaltungselement"
(J.D. irgendwann, irgendwo)

Spätsommer 2001, im Atelier läuft die Buddha Bar CD, THS Grafik und Webdesigner der Generation Golf und J.D., the hard working artist, sitzen vor dem Mac und sind fast fertig.
"Wir haben noch Platz auf der letzten Seite". "Hmm, Bilder sind alle drin"...Was denn noch? (Pause, Pause, Pause) "Text, ging vielleicht noch, schreib mal was!"..."Liest doch eh keiner, frag doch mal was..."
Hier nun das extrem überflüssige Ergebnis ohne wirklich Neues. Künstlerblahblah eben. Aber immerhin die letzte Seite wurde gefüllt.
THS: Was mir an Deinen bisherigen Arbeiten aufgefallen ist, ist der konsequente
Umgang mit doch sehr kräftigen Farben. Wobei ich z.B. bei dem neuen Thema
Com.X, daß sich ja inhaltlich vom New York Thema stark unterscheidet, eine deutliche
Reduzierung, fast eine Monochromisierung der Farben sehe. Ist die Farbreduzierung themenbedingt oder können wir das in Zukunft auch themenübergreifend sehen?
J.D.: Ist die Frage ernst gemeint? Ja?
Okay, grundsätzlich gilt es jede Entwicklung oder jedes aus sich selbst entstandene oder bewußt entwickelte Prinzip umzukehren unabhängig vom Thema. Es geht vielmehr darum zu probieren welcher Gestaltungsspielraum in dem jeweiligen Thema bzw. Motiv steckt. No risk no fun... Ansonsten hätte ich ja auch Anstreicher werden können, der verteilt auch jeden Tag Farbe (sorry for that an alle Anstreicher)
THS: Es ist auffällig, daß Du teilweise bei den neuen Themen Deine Bilder nachträglich noch mal überarbeitest. Auch wenn die Serigraphie eher der "Serienherstellung" dient, so ist zu erkennen, daß Du mit nachträglicher Überarbeitung des einzelnen Exemplares Deinen Bildern eine zusätzliche "Originalität" verleihst. Wieder mehr hin zum Original?
J.D.: War ich je weg vom Original? Genau das ist der Weg. Den Druckprozess als Serie umzukehren und ein Höchstmaß an Individualisierung zu erzielen. Ausschließlich Unikate innerhalb einer Auflage zu schaffen wäre z.B. ein Ideal, oder besser noch, keine Auflage mehr sondern nur noch "one of a kind". Deshalb muß der ganze Arbeitsprozess in meinem Atelier stattfinden. Malen, rakeln, übermalen und wieder rakeln oder anders herum, bis es fertig ist und fertig ists wenn ich "sehe", daß es gut ist... (oder ich fertig bin...)
THS: Im Gegensatz zu Deinen Ölbildern, sind Deine neuen Bilder alles Serigraphien. Wer sich ein wenig in dieser Technik auskennt weiß, daß es einiger Vorbereitung bedarf bis das fertige Bild entsteht. Wie bereitest Du dich auf ein Bild vor? Welche Unterschiede gibt es in der emotionalen Erarbeitung eines Bildes gegenüber der traditionellen Ölmalerei? Ich könnte mir vorstellen, daß der Prozeß des "kreativ sein" ein anderer ist als in der Ölmalerei?
J.D.: Gute Frage THS! Die Motiventwicklung oder Findung unterscheidet sich nicht so sehr. Das Ölbild hat eine Grundidee und die wird innerhalb des Malprozesses
weiterentwickelt. Auch bei den Serigraphien werden Grundelemente entwickelt, die dann im Prozess sowohl thematisch, farblich und kompositorisch variiert werden. Entscheidungen in der Gestaltung spontan und emotional zu treffen ist für mich einzig richtig. Zufällig habe ich aber festgestellt, daß dabei trotzdem nichts zufällig entsteht!
Alles ist schon vorher da, man muß nur wissen wie man es abrufen und einsetzen kann...
THS: Wo gleich die Frage aufkommt, die Dir wahrscheinlich immer wieder gestellt wird, wie lange Du für ein Bild benötigst, möchtest Du wahrscheinlich nicht beantwortet, nein?
J.D.: Doch, zwischen 3 Minuten und 3 Wochen. Nein, möchte ich nicht. Ist auch absolut ohne Bedeutung. Niemand findet etwas gut, nur weil lange daran gearbeitet wurde.
Wichtig ist nur erkennen zu können wann "es" denn fertig ist...
Nächste Frage.
THS: Fertigst Du Skizzen an bevor Du dich an das eigentliche Bild machst? Ich stelle mir das ziemlich schwierig vor, zumal Deine Bilder sehr viel Details enthalten. Ist das alles geplant, berechnet, kalkuliert? Kann Kunst geplant, berechnet, kalkuliert werden?
J.D.: Du fragst das, was alle fragen!
Skizzen sind selten und sehr grob. Zeichnen ist nicht mein "größtes Vergnügen"...
Ich sammle sehr viel, visuell und materiell. Bevorzugt arbeite ich von Anfang an im Originalformat. Die Grundidee steht, dann komme ich in einen Creativflow (J.D. lacht)!
Wenn es gut anfängt geht es auch gut weiter. In diesem Prozess gibt es keine Regeln, keine Grenzen, keine do and donts. Alles ist möglich. Eben frei-schaffend...
THS: Es gibt ja in der Gegenwartskunst kaum noch Überraschungen. Die öligen röhrenden Hirsche sind schon seit langem ausgestorben. Die Generation, die mit MTV groß geworden ist wird sich wohl keine "Klassiker" oder "Sozialkritiker" an die Wand hängen, statt dessen vielleicht einen Döring?
J.D.: Ich bin auch Klassiker weil über 30, sozial und immer kritisch. Außerdem sehen auch die "Klassiker" MTV und denken jünger...
Nein, es gibt keine sogenannte Zielgruppe, keine bestimmte Generation, keinen typischen irgendwen. Es gibt nur Leute, die meine Chiffre lesen können. Zu wissen "was gerade geht" ist aber schon sehr hilfreich mein "Zeug" richtig einzuschätzen...
THS: Erzähl mal wie Du von der Ölmalerei zur Serigraphie gekommen sind. Was hat Dich dazu bewogen einen solchen Schnitt zu vollziehen? Nicht nur die Technik sondern auch der Stil haben sich ja von heute auf morgen nahezu komplett verändert. Und gleich meine darauffolgende Frage: Malst Du noch in Öl?
J.D.: Es ist kein Schnitt. Vielmehr eine Ergänzung, Erweiterung, den Zweck dienend
zu zeigen, daß ich mehr kann und mehr will als das was bisher zu sehen war...
Das wird auch noch so weitergehen. Stil zeigt sich nicht im Strich oder der Farbwahl.
Vielmehr in der Haltung.
Zum zweiten Teil dieser Frage: Jaaaaaaa! (genervt) Ich male auch noch in Öl. Aber
anders, neuer, höher, weiter, frischer und vielleicht besser...
Und reichts schon?
THS: Nein, wir müssen noch weitermachen... Aber wir sind gleich fertig.
J.D.: Okay go ahead...
THS: Muß man gut sein, um berühmt zu werden?
J.D.: Ich glaube nicht, sonst wäre ich doch wohl schon ein V.I.P. (very important painter)
Was bedeutet gut? Der bad taste von heute ist doch der Hype von morgen...
THS: Muß man berühmt sein, um gut zu werden?
J.D.: I feel good, so good... usw. (Achtung zweideutig, J.D. zitiert B.B.!),
Kannst Du auch noch was sinnvolles fragen?
THS: Bist Du berühmt?
J.D.: Ja teilzeitberühmt! Es soll hier und da den ein oder anderen geben der von mir gehört, gelesen oder gesehen hat... Immerhin, ist doch schon was, oder?
THS: Jetzt reichts.
J.D.: Mir auch...

TEIL III


im Atelier läuft Yonderboi und Lemongrass. Und wieder sitzen the king of design mr. THS und the hard working artist Jörg Döring vor dem Apple Cube und haben den neuen Katalog fast fertig. Hinzu kommt Madmoiselle Caroline, die versucht die ganzen Nebenwirkungen um den Künstler und seine Kunst herum von diesem fernzuhalten.
J.D.: Das letzte Gespräch im letzten Katalog empfanden manche als das Letzte
THS: Wirst du deshalb dieses Mal etwas ändern?
J.D.: Nein, natürlich nicht. Ich kann mich nicht ändern. Authentisch sein, immer!
MC: Wie viele Leute haben sich beschwert?
J.D.: So um die zwei bis drei. Damit kann ich leben.
THS: Wir kriegen ja nun mit MC als Kunsthistorikerin Niveau ins Gespräch.
J.D.: Dann fragt mal los mit Niveau, hahaha.
MC: Verarbeitest du eigentlich Persönliches in deinen Bildern?
J.D.: Huuu, das geht ja sehr tief los. Aber gut, vielleicht interessierts jemanden: nicht nur Persönliches, sondern auch immer meine ganze Person von Anfang bis Ende. Deshalb bin ja auch nur ich in der Lage, die Sachen so zu machen, wie ich sie mache. Ich glaube, man kann die Person bzw. Persönlichkeit gar nicht außen vorlassen, oder? Sonst wäre es doch nur noch Gebrauchskunst.
THS: Apropos Gebrauchskunst, davon gibts aber auch in deinen Arbeiten einiges zu sehen
J.D.: Du meinst die Texte, Typografie oder Schriftstücke?! Zum einen sind diese Elemente Form wie jede andere Form auch. Eine Typo kann auch zunächst nur eine interessante Form haben, um als Element im Motiv zu arbeiten.
THS: Ohne Zusammenhang und Aussage?
J.D.: Nein, es gibt schon immer eine Story zu allem. Einen Zusammenhang. Es findet sich nichts zufällig in den Bildern wieder. Wie z.B. die originalen Dokumententeile vom F.B.I. in den neuen Picasso oder Marilyn Arbeiten. Sie sind einerseits schön, weil über Jahre verändert, bearbeitet und gealtert und andererseits von interessanten Inhalten und Aussagen. So etwas finde ich perfekt als Rohmaterial. Über Picasso z.B. glaubt man alles zu wissen, aber solch ein Material ist wirklich einzig. Ich versuche oft, einem viel abgerungenem Thema etwas Neues zu geben.
MC: Auch Pissaro sagte schon 1884:
das Neue findet sich nicht im Sujet,
sondern in der Art es darzustellen.
J.D.: Whow! Ein echter Kunsthistorikerinnen-einwurf! Respekt, wir kriegen Klasse ins Gespräch Wann sagte der Gute das? 1884? Und er hat immer noch recht. Mehr denn je. Es gibt im Grunde nur ein paar wenige Urideen bzw. Kernideen um die sich immer wieder alles dreht. Das Interessante ist doch zu sehen wie und welche Themen in der Zeit, in der sie entstehen, dargestellt werden. Und darin sehe ich das Wesen der Kunst. Das Thema in der Zeit darzustellen. Das hört sich einfacher an als es ist. Wirklich heutig zu sein erfordert viel Mühe und gelingt nicht immer und jedem
THS: Ich habe öfter gehört deine Arbeiten, z.B. die Artist Secret Serie sei 50er bzw. 60er Pop. Das wäre ja auch nicht gerade aktuell
J.D.: Oberflächlich betrachtet sind das viele Stilelemente der 50er und 60er. Zum größten Teil sogar originales Material. Das Neue daran ist, dass ich entgegen der klassischen Pop Art nicht nur zitiere sondern neue Inhalte gebe. Eben heutige oder auch jetzige Themen. Es entsteht spannender Widersinn. Das gelang z.T. so gut, dass nicht immer realisiert wurde, dass eine Zahnpasta, die Wisdom heißt, ein Kunstprodukt ist. Wisdom heißt Weisheit, ja auch wieder eine schöne Metapher und trotzdem irreal mit hohem Unterhaltungswert!
THS: Also geht es dir nicht nur um bloße Abbildung von Bekanntem aus künstlerischer Sicht?
J.D.: Nein, nie. Es geht immer auch um künstlerischen Mehrwert (Achtung, das ist ein Scherz). Ich habe immer in einer noch so scheinbar banalen Motividee Hintersinn, Umkehr, doppelten Boden. Manchmal weise ich drauf hin, oft aber auch nicht. Zum Teil schnell und offensichtlich, zum Teil aber auch erst auf den 2ten, 3ten oder zigfachen Blick.
Das führt dazu, dass mir Leute mailen, sie hätten nach einiger Zeit noch einen völlig neuen Aspekt in der Arbeit entdeckt.
MC: Zurück zu deinem Grundsatz, authentisch sein zu wollen, folgendes: Allan Kaprow sagte dazu: Die Trennlinie zwischen Kunst und Leben sollte so fließend und so undeutlich wie möglich gehalten werden. Trifft das deinen Anspruch auf Authentizität?
J.D.: Soll noch einer sagen wir veranstalten hier nur blahblah. Aber zur Frage: im Kern schon. Wobei ich noch weitergehe und behaupte, dass ein Künstler gar nichts anderes machen kann als authentisch zu sein. Man kann nichts anderes tun, als seine individuelle und subjektive Sicht der Dinge auf die Leinwand zu bringen. Kunst kann man nicht simulieren. Bei den Ölbildern z.B. war es auch immer mein Alltag, der über die Figuren erzählt wurde. Bei den Serigraphien sind die Geschichten offener, nicht immer eindeutig, mehrere mögliche Positionen sind von mir gewollt.
THS: Warum nicht mehr so eindeutig?
J.D.: Ich fand es irgendwann spannender zu fragen statt zu antworten. Über Fragen, die gestellt werden, kann man ja nun auch zu einem Ergebnis kommen. Ich bin kein Ratgeber für alle Lebenslagen. So etwas mag ich überhaupt nicht. Ich möchte ein paar Kurven in einen Gedanken einbauen, gemäß einem meiner Leitsätze: live is not a straight line, den ich manchmal auch in: fun is not a straight line, ändere. Für den Fall, habe ich dann aber einen Helm auf und sitze im Käfig.
MC: Käfig? Ich denke Künstler brauchen Freiraum?
J.D.: Freiraum? Den habe ich auf der Strecke. Keine Ampel, keinen Stau, kein Radar. (Noch ein Scherz.) Wichtiger ist aber der Freiraum im Kopf und den schaffe ich mir dann, indem ich mich extremst auf anderes konzentrieren muss. Wenn Platz geschaffen ist, kommt wieder Frisches rein, arbeitet eine Zeit lang und kommt fast fertig wieder raus
THS: Sind deine Ideen so kopflastig?
J.D.: Nein, nein, ganz im Gegenteil. Als Ausgang definiere ich immer ein Ziel, das sich am Ende noch vielfach verändert hat. Und diese Veränderungen werden alle sehr emotional und spontan im laufenden Prozess durchgeführt.
THS: Ist es am Ende dieses Gespräches so gelaufen wie du es zu Anfang als Ziel definiert hast?
J.D.: Ist das schon das Ende? Ich habe doch gerade erst angefangen.
THS: Wir haben keinen Platz mehr.
J.D.: Okay im nächsten Katalog

© 2003 Jörg Döring