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Grundregeln der Ölmalerei – Bildaufbau und Farbgebung

Was haben der "Seerosenteich", "Guernica" und die "Mona Lisa" gemeinsam? Richtig: Obgleich alle drei Gemälde weltberühmt sind, sieht man ihnen auf den ersten Blick durchaus nicht an, wie viel Planung in ihnen steckt. Tatsächlich jedoch sind auch mit Monet, Picasso und Da Vinci keine Meister vom Himmel gefallen – und so haben auch die berühmtesten Bilder der Kunstgeschichte ihren Ursprung in etwas ganz Alltäglichem: in einer Idee. Und der Idee folgt in aller Regel eine Menge planmäßiger Vorarbeit.

Ölmalerei ist vor allem eines: ein Handwerk. Und wie in jedem anderen Handwerk, ist auch hier Talent allein nicht ausreichend, um zu wirklicher Meisterschaft zu gelangen. Neben viel Übung erfordert die Ölmalerei also auch ein gewisses Maß an Geduld – denn es dauert eine Weile, bis sich das Gespür für Perspektive und farbliches Zusammenspiel entwickelt. Wenn es Ihnen darum geht, die Kunstmalerei zu erlernen, sollten Sie sich also zunächst mit den Grundregeln von Bildaufbau und Farbgebung vertraut machen.

Zu diesem Zweck beginnen Sie am besten mit mimetischer, das heißt wirklichkeitsnaher Wiedergabe von Motiven. Die "Demoiselles d'Avignon“ mögen nämlich vielleicht interessanter sein als Manets „Frühstück im Grünen“ – doch wer abstrahieren will, muss zunächst die Wirklichkeit malen lernen. Und selbst Picasso (seine Werke erhalten Sie bei uns in der Galerie) hat lange Zeit Perspektive und Bildaufbau anhand der Alten Meister studiert, bevor er mit den "Desmoiselles" seine kubistische Phase begründete.

Eine Frage der Perspektive – von der weißen Leinwand zum tiefen Raum

Wer im Museum vor einem großformatigen Ölgemälde steht, auf dem sich plastisch und detailreich ein Feldweg zwischen Zaubernuss und Silberpappel hindurchschlängelt, vermag sich nur sehr schwer vorzustellen, dass auch dieser Feldweg einmal als Skizze begonnen hat. Und selbst vor der Skizze liegen noch diverse Arbeitsschritte. Zunächst sind da nur die weiße Leinwand und die Idee im Künstlerkopf. Um nach und nach die Idee auf die Leinwand übertragen zu können, muss diese in Abschnitte unterteilt werden – Sie beginnen also mit der "Komposition" Ihres Bildes.

Grundsätzlich erfolgt eine Gliederung der materiellen Fläche (das ist die gesamte Fläche, die zum Bearbeiten zur Verfügung steht) in minimal vier Ebenen, wodurch dem Bild Tiefe und Plastizität verliehen werden.

Diese vier Ebenen bestehen aus dem Hintergrund, dem hinteren Mittelgrund, dem vorderen Mittelgrund und dem Vordergrund. Im Falle des "Frühstücks im Grünen" von Édouard Manet (Bild hier) sähe diese Gliederung folgendermaßen aus:

Wichtig ist bei dieser Komposition, dass die dargestellten Gegenstände und Personen von Ebene zu Ebene proportional kleiner werden – so sind im vorderen Mittelgrund beispielsweise Baumstämme von Nahem zu sehen, während weiter hinten ganze Bäume sichtbar werden, die jedoch bereits mit dem Hintergrund verschwimmen. Je nach Motiv können Sie sich für den Bildaufbau natürlich auch an weniger oder mehr als den traditionellen vier Ebenen orientieren. Für die "Spannung" in einem Bild sorgen neben den Bildebenen vor allem die Kompositionslinien, welche waagerecht, senkrecht und diagonal verlaufen.

Als waagerechte Kompositionslinie bietet sich der Horizont an – im Falle Manets wäre dies der Punkt, an dem der Waldweg in den Himmel übergeht. Als senkrechte Kompositionslinien könnten Sie die Stämme der Bäume wählen. Der nach hinten hin schmaler werdende Waldweg bildet zwei diagonale Kompositionslinien, die in diesem Bild jedoch recht schwach ausgeführt sind. Spannendere Kompositionen entstehen beispielsweise, wenn Sie einen Fluss in der linken unteren Bildecke beginnen und ihn sich bis in die obere rechte Bildecke schlängeln lassen. Wie Sie Ihre einzelnen Motive anordnen, bleibt letzten Endes jedoch Ihnen überlassen.

Farbe bekennen – Schicht für Schicht zum vollendeten Motiv

Während Gliederungsebenen und Kompositionslinien Ihrem Bildaufbau die Perspektive verleihen, können Sie die für Ölgemälde typische Plastizität nur mithilfe des Farbauftrags erreichen. Und auch hier ist wieder Geduld gefragt, da Ölbilder Schicht für Schicht aufgebaut werden und die Farbe zwischen den einzelnen Malgängen wenigstens antrocknen sollte. Die Farbgebung ist abhängig von Ihrer Wahl der konkreten Farbtöne, dem jeweiligen Tonwert und dem Zusammenspiel von Raum und Fläche. Ihre Farben wählen Sie in erster Linie danach aus, welche Stimmung Sie in und mit Ihrem Bild erzeugen möchten.

Im Falle des "Frühstück[s] im Grünen" handelt es sich um überwiegend dunkle und zum Teil auch kalte Töne, die sich zum Horizont hin jedoch aufhellen. Nichtsdestotrotz entsteht durch die dunkle Farbgebung der Waldlichtung ein seltsamer Missklang mit dem an sich fröhlichen Motiv des morgendlichen Frühstücks, der in diesem Fall jedoch beabsichtigt ist. Für die Auswahl Ihrer Farben orientieren Sie sich idealerweise am sogenannten "Farbkreis", der sich aus den drei Grundfarben Gelb, Blau und Rot, sowie ihren jeweiligen Komplementärfarben zusammensetzt. Erfahrene Maler benötigen neben Weiß lediglich die Grundfarben, aus denen sie jeden beliebigen Farbton mischen können – wenn Sie jedoch noch am Beginn stehen, sollten Sie auch die Komplementärfarben Violett, Orange und Grün zur Hand haben.

Das Ölbild wird traditionell aus dem Hintergrund heraus aufgebaut. Das bedeutet, dass Sie den ersten Farbauftrag, welcher mehrheitlich aus den Grundfarben bestehen sollte, in einem mittleren Tonwert (weder hell noch dunkel) vornehmen. Sind die Farbflächen erst einmal angelegt, wird der Auftrag von Schicht zu Schicht detaillierter (das heißt, Sie können nach und nach mit immer mehr unterschiedlichen Farbtönen arbeiten). Je weiter Sie sich zum Bildvordergrund vorarbeiten, desto intensiver können Sie nun auch mit Hell-Dunkel-Werten arbeiten. Im letzten Farbauftrag werden die finalen hellen und dunklen Akzente gesetzt, die Ihrem Bild die notwendige Tiefe und Plastizität verleihen.


Mischtechniken in der Ölmalerei

Die Arbeit mit Künstlerölfarben gilt als Königsdisziplin der Malerei. Selbst Picasso verbrachte seine jungen Jahre mit dem Kopieren der großen spanischen Meister – denn wie bei den meisten Handwerken, ist auch in der Ölmalerei Genialität kein Geburtsrecht. Sie ist vielmehr eine Frage der Übung. Vor allem die Kombination mit anderen Maltechniken kann aufgrund der besonderen Eigenschaften der Künstlerölfarbe eine Herausforderung sein und setzt einige Erfahrung, sowie eine genaue Kenntnis des Materials voraus.

Künstlerölfarbe unterscheidet sich sowohl in der Verarbeitung, als auch in den Effekten, die durch sie erzielt werden, deutlich von anderen Maltechniken. Allein die Herstellung auf der Basis von trocknenden oder halbtrocknenden Ölen wie Lein- oder Hanföl, denen – je nach gewünschter Farbintensität – eine bestimmte Menge von Pigmenten beigemischt wird, erfordert selbst bei einem dünnen Farbauftrag mehrtägige Trocknungspausen.

In dieser besonderen Eigenart der Künstlerölfarbe liegt jedoch auch ihre Stärke: Durch den Trocknungsprozess wird das Malen in "Schichten" ermöglicht, das insbesondere großformatigen Bildern Tiefe und Plastizität verleiht. In der Renaissance-Malerei entwickelte sich auf Grundlage dieser Eigenschaft die sogenannte"Eitempera-Malerei", bei welcher sich Schichten aus Eitempera (eine Emulsion aus Ei, Wasser, Leinöl und Farbpigmenten) und Ölfarben-Lasuren abwechseln.

Dabei wird Schicht für Schicht sowohl in der Emulsion als auch in der Lasur der Ölanteil erhöht. Bei kleineren Formaten können Sie den so erzielten plastischen Effekt jedoch auch über einen pastosen Farbauftrag und die sogenannte "Nass-in-Nass-Technik" bewerkstelligen.

Ölfarben mischen: Mit vier Farben zum gesamten Spektrum

Vor der Kombination mit anderen Maltechniken steht das Mischen der Künstlerölfarben untereinander: Der geübte Künstler benötigt neben weißer Farbenur die drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau, um jeden beliebigen Farbton herstellen zu können. Für eine geschmeidigere Konsistenz der von Natur aus recht zähen Paste sorgt das Vermischen der Ölfarben mit sogenannten "Malmitteln", unter denen das gebräuchlichste Terpentinöl (in der Regel Citrus-Terpentinöl) ist. Durch die Beimischung kleinerer oder größerer Terpentinmengen können Sie zudem die jeweilige Farbintensität regulieren.

Erfahrene Künstler mischen ihren Farbton mit dem Pinsel oder einem kleinen Spachtel direkt auf der Leinwand. Solange Sie jedoch noch üben, ist es sinnvoller, die Farben auf der Palette anzumischen; diese Technik empfiehlt sich auch, wenn Sie größere Mengen eines bestimmten Farbtons benötigen. Gerade zu Beginn sollten Sie daran denken, eine Farbtafel für Ihre selbst gemischten Töne anzulegen, um diese im Bedarfsfall nachmischen zu können. Je öfter Sie diesen Vorgang wiederholen, desto sicherer werden Sie in der Auswahl Ihrer Mischfarben und desto leichter fällt es Ihnen, einzelne Farbnuancen zu unterscheiden.

"Fett auf mager": Acryl- und Aquarellfarben als Untergrund für Ölbilder

Da in der Malerei stets die Farbe mit dem höheren Fettanteil auf die Farbe mit dem geringeren Fettanteil aufgetragen wird, gibt es für die Kombination von Künstlerölfarben mit anderen Maltechniken nicht viele Möglichkeiten. Aus diesem Grund können sowohl Acryl- als auch Aquarellfarben lediglich als Untergrund für Ölbilder dienen. Während die Untermalung mit Aquarellfarben sich in erster Linie durch ihre leichte Transparenz auszeichnet und daher mehr als eine Art farbige Skizze dient, eröffnen sich durch die Untermalung mit Acrylfarben ganz neue Möglichkeiten der Gestaltung.

Durch den kurzen Trocknungsprozess der Acrylfarbe ist der Bilduntergrund extrem schnell angelegt und kann durch die Verwendung von Strukturpaste oder Acrylbinder nach Belieben bearbeitet und modelliert werden. Zudem ist die Acrylfarbe der ideale Untergrund für die Einarbeitung anderer Materialien wie etwa Holz, Papier, Metall oder Kunststoff, die sich nicht – im Gegensatz etwa zu Sand oder Kaffeepulver – der Ölfarbe direkt beimischen lassen. So können durch die Kombination von Acryl- und Ölfarbe letzten Endes Materialbilder und Collagen in Öl realisiert werden.

„Zwei in Eins“: Integration von Zeichentechniken in Ölbilder

Genau wie Acryl- und Aquarellfarben, eignen sich auch gezeichnete Elemente lediglich als Untermalung für den Auftrag von Künstlerölfarben. Eine Beschränkung der Zeichenmittel gibt es jedoch nicht, denn als Untergrund für ein Ölbild eignen sich sowohl Pastell- und Ölkreiden, als auch Kohle, sowie Bunt-, Blei- und Filzstifte. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, die gezeichneten oder gemalten Elemente in das Bild zu integrieren – von der Kohlen- oder Bleistiftskizze bis hin zu kombinierten Farbverläufen. Künstler wie beispielsweise Christo integrieren gern zeichnerische Elemente in ihre Arbeiten (insbesondere in Collagen und Materialbilder), um ihnen mehr Tiefe zu verleihen.

Sollen die unterschiedlichen Maltechniken im fertigen Bild gut zu erkennen und klar voneinander zu unterscheiden sein, bietet sich eine kräftig ausgeführte Zeichnung an, die später durch die Schichten der Ölfarbe hindurchschimmert. Hierfür empfiehlt es sich, die gezeichneten Elemente mit einem Firnis zu fixieren, bevor die Ölfarben aufgetragen werden. Ebenfalls gut unterscheidbar bleiben die Techniken, wenn Sie die Zeichnung als Skizze oder Vorlage verwenden und sie mit den Ölfarben gleichsam „ausmalen“. Hierdurch entstehen zudem auffallende Kontraste.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Techniken bewusst zu vermischen und die gezeichneten Elemente mittels Terpentinöl zu verwischen bzw. mit den Zeichenmitteln direkt auf den – mit Terpentinöl vorbehandelten – Malgrund zu zeichnen. Diese Zeichnungen haben weiche Konturen und können je nach Belieben in entsprechende Farbverkäufe der Ölfarbe integriert werden – lassen Sie Ihrer Kreativität einfach freien Lauf!